1. Mangelfall

Was versteht man unter einem Mangelfall? Darunter versteht man, dass
A. die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nicht ausreicht, um den Mindestbedarf für die vorrangigen unterhaltsberechtigten minderjährigen Kinder zu decken.
B. die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nicht ausreicht, um den Mindestbedarf für alle Unterhaltsberechtigten zu decken.
C. die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nicht ausreicht, um den angemessenen Bedarf für alle Unterhaltsberechtigten zu decken.
D. dem Unterhaltspflichtigen nach Abzug aller Unterhaltszahlungen von seinem bereinigten Nettoeinkommen der für die Tabellenstufe geltende Bedarfskontrollbetrag nicht verbleibt.
Begründung: Der Begriff ist definiert im Zusammenhang mit der Rückstufung wegen Mangelfalls nach Anmerkung A 1 Absatz 2 Satz 3 der Düsseldorfer Tabelle. Ein Mangelfall liegt danach vor, wenn die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nicht ausreicht, um die Mindestbedarfe aller Unterhaltsberechtigten, einschließlich der nachrangigen Berechtigten, zu decken.

2. Mangelfallberechnung (2 Erklärvideos, 2 PowerPoint-Präsentationen)

Schauen Sie sich bitte zuerst das verlinkte Lehrvideo an.

Zwischen welchen Unterhaltsberechtigten ist eine Mangelfallberechnung durchzuführen?

Welche Aussage trifft zu?


A. zwischen allen Unterhaltsberechtigten unabhängig vom Rang ihres Anspruchs, wenn die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen nicht für alle ausreicht.
B. zwischen den unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern des Unterhaltspflichtigen, wenn dessen Leistungsfähigkeit für diese nur teilweise ausreicht.
C. zwischen den unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten eines Unterhaltspflichtigen, wenn dessen Leistungsfähigkeit nur teilweise den Bedarf für alle Ex-Partner deckt.
D. zwischen volljährigen nicht privilegierten Kindern und minderjährigen Kindern, wenn die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen nur teilweise ausreicht, um deren Bedarf zu decken.
E. zwischen verschiedenen volljährigen Kindern, wenn die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen nur teilweise ausreicht, um deren Bedarf zu decken.
F. zwischen unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern und unterhaltsberechtigten kinderbetreuenden Elternteilen, wenn ein Mangelfall vorliegt.
Begründung: Die Antworten B C und E treffen zu, weil dort jeweils eine Mangelfallberechnung zwischen gleichrangigen konkurrierenden Unterhaltsberechtigten durchgeführt werden muss. Die Antworten A, D und F treffen nicht zu, weil die dort genannten Anspruchsinhaber nicht denselben Rang haben.

3. Zwei volljährige Kinder

F ist verwittwet. Sie hat zwei Kinder, die in ihrem Haushalt leben. K2 ist 18 Jahre alt und geht noch auf das Gymnasium. K1 ist 19 Jahre alt und studiert Sozialpädagogik. F verdient netto 1800 €.

Muss zwischen beiden Kindern eine Mangelfallberechnung erfolgen?


A. Ja. Es liegt ein Mangelfall vor, weil die Leistungsfähigkeit von F nach § 1603 BGB nicht ausreicht, um den Mindestbedarf beider Kinder zu decken.
B. Ja. Beide Kinder sind nach § 1609 Nummer 4 BGB im vierten Rang, weil sie bereits volljährig sind.
C. Ja. Beide Kinder sind nach § 1609 Nummer 1 BGB im ersten Rang, weil sie noch keine 21 Jahre sind und noch zu Hause wohnen.
D. Nein. K1 ist vorrangig unterhaltsberechtigt.
E. Nein. K2 ist vorrangig unterhaltsberechtigt.
F. Nein. Die Leistungsfähigkeit von F reicht aus. Es liegt kein Mangelfall vor.
G. Nein. Beide Kinder müssen sich die Leistungsfähigkeit von F je zur Hälfte aufteilen.
Begründung:

Nur Antwort E trifft zu. Denn K2 ist vorrangig unterhaltsberechtigt, weil K2 trotz Volljährigkeit als Priveligiertes Kind nach § 1609 Nummer 1 BGB im ersten Rang ist. K2 ist nach § 1603 Absatz 2 Satz 2 BGB ein priveligiertes Kind, weil K2 noch unter 21 ist, noch bei den Eltern wohnt und sich noch in allgemeiner Schulazusbildung befindet.

K1 ist dagegen im vierten Rang, weil K1 volljährig und nicht priveligiet ist. Denn K1 befindet sich nicht mehr in allgemeiner Schulausbildung.



4. Anspruch von K2

F ist verwitwet. Sie hat zwei Kinder, die in ihrem Haushalt leben. K2 ist 18 Jahre alt und geht noch auf das Gymnasium. K1 ist 19 Jahre alt und studiert Sozialpädagogik. F verdient netto 1800 €.

In welcher Höhe schuldet F an K2 Unterhalt? In Höhe von

€.
Lösung: 260
Begründung:

K2 ist als privilegiertes Kind im nach § 1609 Nummer 1 BGB im ersten ersten Rang und K1 ist als nicht privilegiertes volljähriges Kind nach Nummer 4 im vierten Rang.

F hat nach Anmerkung A 3 der Düsseldorfer Tabelle berufsbedingte Aufwendungen von 5% von 1800 €. Das sind 90 €. F hat deshalb ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1710 € (1800-90=1710).

Der Eigenbedarf von F beträgt nach Anmerkung A 5 der Düsseldorfer Tabelle gegenüber K2 als volljährigen privilegiertem Kind 1450 €, weil F erwerbstätig ist.

Die Leistungsfähigkeit von F gegenüber K2 beträgt also 260 € (1710-1450=260). Mehr muss F nach § 1603 BGB nicht bezahlen.



5. Anspruch von K1

F ist verwittwet. Sie hat zwei Kinder, die in ihrem Haushalt leben. K2 ist 18 Jahre alt und geht noch auf das Gymnasium. K1 ist 19 Jahre alt und studiert Sozialpädagogik. F verdient netto 1800 €.

In welcher Höhe kann K1 von F Unterhalt verlangen? In Höhe von

€.
Lösung: 0
Begründung:

K2 ist als privilegiertes Kind im nach § 1609 Nummer 1 BGB im ersten ersten Rang und K1 ist als nicht privilegiertes volljähriges Kind nach Nummer 4 im vierten Rang.

F hat nach Anmerkung A 3 der Düsseldorfer Tabelle berufsbedingte Aufwendungen von 5% von 1547,37 €. Das sind 77,37 €. F hat deshalb ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1470,00 € (1547,37- 77,37=1470).

Der Eigenbedarf von F beträgt nach Anmerkung A 5 der Düsseldorfer Tabelle gegenüber einem volljährigen nicht privilegiertem Kind 1750 €.

Gegenüber K1 ist F also nicht leistungsfähig, weil ihr Eigenbedarf bereits höher ist als ihr bereinigtes Nettoeinkommen. Deshalb muss F nach § 1603 BGB keinen Unterhalt an K1 leisten.

Im übrigen wird die Leistungsfähigkeit von F durch den vorab an das erstrangige Kind K2 zu zahlenden Unterhalt verringert auf -300 € (1710-1750-260=-300).



6. Neuer Fall

M verdient netto 1800 €. Er schuldet dem 10-jährigen K1 und dem 1-jährigen K2 Kindesunterhalt, die bei ihrer Mutter wohnen. Wie hoch ist der Bedarf von K1 unter Berücksichtigung der Kindergeldanrechnung?

€.
Lösung: 426
Begründung:

Da M ein bereinigtes Nettoeinkommen von unter 2100 € hat, steht beiden Kindern nur der Mindestbedarf zu. Der Mindestbedarf beträgt nach § 1612a BGB in Verbindung mit der Mindestunterhaltsverordnung zu (siehe unter dem MENU LINKS). Für den 10jährigen K1 beträgt der Mindestbedarf 551 € Davon sind 125 € anzurechnendes hälftiges Kindergeld nach § 1612b BGB abzuziehen, sodass sich ein Unterhaltsbedarf für K1 von 426 € (551-125=426) ergibt.

7. Bedarf von K2

M verdient netto 1800 €. Er schuldet dem 10-jährigen K1 und dem 1-jährigen K2 Kindesunterhalt. Wie hoch ist der Bedarf von K2 unter Berücksichtigung der Kindergeldanrechnung ohne die Berücksichtigung der erst am Ende der Unterhaltsberechnung vorzunehmenden Aufrundung auf ganze Euro?

€.
Lösung: 355
Begründung:

Da M ein bereinigtes Nettoeinkommen von unter 2100 € hat, steht beiden Kindern nur der Mindestbedarf zu. Der Mindestbedarf beträgt nach § 1612a BGB in Verbindung mit der Mindestunterhaltsverordnung zu (siehe unter dem MENU LINKS). Für den 1jährigen K2 beträgt der Mindestbedarf 480 € Davon sind 125 € anzurechnendes hälftiges Kindergeld nach § 1612b BGB abzuziehen, sodass sich ein Unterhaltsbedarf für K1 von 355 € (480-125=355) ergibt.

8. Leistungsfähigkeit

M verdient netto 1800 €. Er schuldet dem 10-jährigen K1 und dem 1-jährigen K2 Kindesunterhalt. In welcher Höhe ist M gegenüber seinen beiden Kindern leistungsfähig? In Höhe von

€.
Lösung: 260
Begründung:

M hat nach Anmerkung A 3 der Düsseldorfer Tabelle berufsbedingte Aufwendungen von 5% von 1800 €. Das sind 90 €. M hat deshalb ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1710 € (1800-90=1710).

Der Eigenbedarf von M beträgt nach Anmerkung A 5 der Düsseldorfer Tabelle 1450 €, weil beide Kinder minderjährig und M erwerbstätig ist.

Seine Leistungsfähigkeit den beiden Kindern gegenüber beträgt also 260 € (1710-1450=260).



9. Mangelfallberechnung?
M verdient netto 1800 €. Er schuldet dem 10-jährigen K1 und dem 1-jährigen K2 Kindesunterhalt. Muss zwischen K1 und K2 eine Mangelfallberechnung durchgeführt werden?


A. Ja, weil die Leistungsfähigkeit von M nicht ausreicht.
B. Nein, weil die Leistungsfähigkeit von M ausreicht, um die Bedarfe der Kinder zu decken.
C. Nein, weil K1 im Rang vorgeht.
D. Nein, weil K2 im Rang vorgeht.
E. Nein, weil beide Kinder einfach die Hälfte der Verteilungsmasse bekommen, also jeweils 50 €.
Begründung:

Beide Kinder sind minderjährig und deshalb sind beide nach § 1609 Nummer 1 BGB im ersten Rang.

K1 hat einen Bedarf von 426 € (551-125=426). K2 hat einen Bedarf von 355 € (480-125=355). Beide Kinder zusammen haben also einen Bedarf von 781 € (426+355=781).

Die Leistungsfähigkeit von M beträgt ber nur 260 € (1710-1450=260).

Davon bekommen nicht beide Kinder einfach die Hälfte, weil der Bedarf von K1 mit 426 € höher ist als der von K2 mit 355 €.

Deshalb ist nach Abschnitt C der Düsseldorfer Tabelle eine Mangelfallberechnung vorzunehmen. Darin sind die unterschiedlichen Bedarfe der beiden Kinder zueinander ins Verhältnis zu setzen.



10. Abschnitt in der Düsseldorfer Tabelle

M verdient netto 1800 €. Er schuldet dem 10-jährigen K1 und dem 1-jährigen K2 Kindesunterhalt.

Welcher Abschnitt der Düsseldorfer Tabelle beschreibt, wie die Mangelfallberechnung zu erfolgen hat? Das regelt die Düsseldorfer Tabelle in Abschnitt

.
Lösung: C
Begründung: Die Düsseldorfer Tabelle finden Sie im MENU unter LINKS.

11. Anspruch von K1
1. Anwendungsfälle = Eine Mangelfallberechnung nach C DT darf nur zwischen Berechtigten stattfinden,
   die sich in derselben Rangstufe nach § 1609 BGB befinden.
2. Rangstufe = die Rangstufe, deren Bedarfe der Verpflichtete nur teilweise sicherstellen kann.
3. Verteilungsmasse = Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten gegenüber der Rangstufe.
4. Anteil des Berechtigten = Bedarf des Berechtigten / Summe der Bedarfe aller Berechtigten dieser Rangstufe.
5. Anspruch des Berechtigten = Anteil des Berechtigten x Verteilungsmasse.
6. Rundung = Aufrundung des errechneten Betrags auf volle Euro nach § 1612a Absatz 2 BGB.

M verdient netto 1800 €. Er schuldet dem 10-jährigen K1 und dem 1-jährigen K2 Kindesunterhalt. Wie hoch ist der Anspruch von K1, wenn man ihn gemäß § 1612a Absatz 2 BGB auf volle Euro aufrundet?

Bei Bedarf können Sie sich das verlinkte Lehrvideo zur Mangelfallberechnung noch einmal ansehen.


Lösung: 142
Begründung:

K1 hat einen Bedarf von 426 €. K2 hat einen Bedarf von 355 €. Beide Kinder zusammen haben also einen Bedarf von 781 € (426+355=781).

Der Anteil von K1 beträgt also 426/781. Das sind bei einer Verteilungsmasse von 260 € genau 54,72 € für K1 (426/781x260=141,82). Aufgerundet auf volle Euro gemäß § 1612a Absatz 2 BGB sind das 142 €.



12. Anspruch von K2

M verdient netto 1800 €. Er schuldet dem 10-jährigen K1 und dem 1-jährigen K2 Kindesunterhalt. Wie hoch ist der Anspruch von K2, wenn man ihn gemäß § 1612a Absatz 2 BGB auf volle Euro aufrundet? Das sind

€.
Lösung: 119
Begründung:

K1 hat einen Bedarf von 426 €. K2 hat einen Bedarf von 355 €. Beide Kinder zusammen haben also einen Bedarf von 781 € (426+355=781).

Der Anteil von K2 beträgt also 355/781. Das sind bei einer Verteilungsmasse von 260 € genau 45,28 € für K1 (355/781x260=118,18). Aufgerundet auf volle Euro gemäß § 1612a Absatz 2 BGB sind das 119 €.



13. Folgen des Aufrundens

M verdient netto 1800 €. Er schuldet dem 10-jährigen K1 und dem 1-jährigen K2 Kindesunterhalt. Die bisherigen Berechnungen haben ergeben, dass K1 142 € und K2 119 € beanspruchen kann, beide zusammen also 261 € (142+119=261). Würde M diese Beträge an beide Kinder bezahlen, würde er anstelle des ihm zustehenden Eigenbedarfs von 1450 € nur 1449 € für sich behalten (1710-261=1449). Wie ist dieser Konflikt aufzulösen?


A. Das Berechnungsergebnis muss so korrigiert werden, dass M der ihm zustehende Eigenbedarf auch wirklich verbleibt.
B. Mit der vorgenommenen Berechnung muss M leben.
Begründung:

Die Rundungsregelungen in § 1612a Absatz 2 BGB haben Vorrang vor den in der Düsseldorfer Tabelle geregelten Eigenbedarfen. Die Düsseldorfer Tabelle ist kein Gesetz. In einem Rechtsstaat haben gesetzliche Regelungen Vorrang vor anderen Rechtsüberlegungen (sog. Vorrang des Gesetzes).

Die Rundungsregelung bewirkt zwangsläufig, dass der Eigenbedarf dem Unterhaltspflichtigen nicht ganz verbleibt. Dies will der Gesetzgeber so. Und dieser Wille ist von den Gerichten in einem Rechtstaat zu akzeptieren.



14. Verständnisfrage

Frau F und Herr M haben sich scheiden lassen. Sie haben zwei Kinder, den 17-jährigen K1 und den 9-jährigen K2. K1 und K2 sind bei F. F bekommt nur das Kindergeld für die Kinder. Zusammen mit seiner Lebenspartnerin L hat M den 2-jährigen K3, für den M die Vaterschaft anerkannt hat. M hat sich aber inzwischen auch von L wieder getrennt. K3 lebt bei L, die für K3 das Kindergeld bekommt. Elterngeld bekommt L nicht mehr. Sonst haben F und L kein Einkommen. M verdient netto im Monat 1800 €. F will vom Jugendamt wissen, welcher Unterhalt ihr und ihren Kindern zusteht.

Warum bekommt K1 am meisten Geld?


A. Weil er der Erstgeborene ist.
B. Weil er den höchsten Bedarf hat.
C. Weil K1 im Gegensatz zu K3 ein eheliches Kind ist.
Begründung:

 

Mangelfallberechnung
  K1 K2 K3
Alter in Jahren 17 9 2
Kindergeldhöhe 250 250 250
gesetzlicher Mindestbedarf 645 551 480
nach Kindergeldanrechnung von je 125 € 520 426 355
Bereinigtes Netto von M: 1800-90=1710 €
Eigenbedarf von M ggü Kindern: 1450 €
Verteilungsmasse=Leistungsfähigkeit von M ggü Kindern = 1710-1450 = 260 € 
Gesamtbedarf aller drei Kinder 520+426+355=1301 €
Anteil der Kinder 520/1301 426/1301 355/1301
Berechnung des Anspruchs der Kinder 520/1301x260 426/1301x260  355/1301x260
Anspruch der Kinder 103,92 85,13 70,05
auf ganze Euro aufgerundet nach § 1612a Absatz 2 BGB 104 86 71

Den beiden Frauen gegenüber hat M einen Eigenbedarf von 1600 €. Ihnen gegenüber ist M nicht leistungsfähig
(1710-1600-104-86-71=-151).